Der Gruppenleiter – selbst ein Opfer?

Anmerkungen zum ersten Merkmal nach John Welwood

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass der Gruppenleiter selbst ein Betroffener, ein Opfer ist; ein Lebewesen, das sich verfangen hat und leidet und das Mitgefühl und Hilfe benötigt!

Hat der Leiter einen verzerrten Bezug zu sich und zur Umwelt, wirken in ihm also ungesunde, Leid verursachende Mechanismen. So können sich hinter der Fassade der Selbstsicherheit oder Arroganz eigene Minderwertigkeitsgefühle verbergen. Er oder sie erzeugt z.B. – unbewusst – zu einem eigentlich verdrängten, aber trotzdem wirksamen, negativen Selbstbild, ein aufgeblähtes überhöhtes, verzerrtes Bild seiner/ihrer Selbst, quasi als positives Gegenmodell. An diesem Gegenmodell muss er/sie sich zwanghaft, wie einen Rettungsring festhalten. Das kann er/sie sich auch von niemand in Frage stellen lassen - das wäre Existenz bedrohend.

Die Grundstruktur eines solchen Leiters/Führers ist geprägt von starker Selbstbezogenheit, von Narzissmus und Selbstherrlichkeit. Deshalb ist er/sie auch so empfindlich und verletztlich gegenüber Kritik und Missachtung aus den eigenen Reihen, glaubt alle Kritik von Nicht-Gruppenmitgliedern kommt nur aus deren Eifersucht in Bezug auf seine/ihre unglaublichen Qualitäten und nur besondere Menschen können ihre/seine besonderen Qualitäten schätzen und würdigen usw. …

Lob, Ruhm, Titel, Ämter, das Schmücken der eigenen Person mit anderen glorreichen Personen ist hingegen ‚Nektar‘ in seinen/ihren Ohren und der Außenwerbung. 

Dies sind sicherlich nur ausschnitthafte Aspekte der möglichen ungesunden Entwicklung des Leiters einer solchen Gruppe und bedarf der Analyse und mitfühlenden Behandlung von Fachleuten. 

Dies muss auch ein Gruppenmitglied in Bezug auf die eigene Person für sich prüfen und bedenken:
Was sind meine Anteile, die mich da rein gebracht haben?
Wieso habe ich mich selbst derartig getäuscht und täuschen lassen?

So ein Phänomen entsteht in Abhängigkeit vieler Menschen und Faktoren:
Der Führer wünscht die Position, wird in diese gebracht, seine Gefolgsleute unterstützen ihn und geben ihm Macht, bzw. lassen es zu, dass er Macht über sie hat. Menschen in ‚höherer Position‘ stützen den Kultführer, andere schweigen. Die Erziehung der Eltern, gesellschaftliche / religiöse Normen, individuelle Kapazitäten und Verhaltens-Muster bilden den Hintergrund für das Handeln und Denken der Beteiligten. Natürlich wirken in diesem komplexen Zusammenspiel auch enorme karmische Wirkkräfte mit.

Meines Erachtens wird man nirgends einen ‚Schuldigen‘ ausmachen, so ein Phänomen ist so komplex, es kommt nur durch zahllosen Ursachen und Bedingungen zusammen, die die Saat zwangsläufig aufgehen lassen. Von daher ist jeder mitverantwortlich und jeder ist auch ein Opfer seiner eigenen begrenzten Kapazitäten und Wissens; und jeder der Beteiligten bedarf der Fürsorge und des Mitgefühls. Eine völlige Gewissheit, dass ein Außenstehender niemals in eine solche Situation rutscht, gibt es meines Erachtens nicht.

Deshalb sollte man solche Entwicklungen und die Menschen, die damit zu tun haben, nicht pauschal verurteilen oder arrogant und mitleidig auf sie herabsehen. Aber konsequent aufklären oder stoppen, wo das möglich ist.

Wenn man genau untersucht, kann man erkennen, dass diese Pobleme vor allem aus den drei Grundproblemen des nicht-erleuchteten Geistes kommen: Nicht-Wissen, Begierde und Feindseligkeit.
Und dort ist auch der hauptsächliche Lösungsansatz.

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